Was macht eine Transition Initiative erfolgreich? Teil 2

Bild des/r Benutzers/in Gesa Maschkowski

Neulich im Transition Research Network gabe es eine Diskussion über Erfolgsfaktoren von Transition Initiativen. Es gab viele spannende Beiträge dazu. Besonders interessant fand ich den Beitrag von Anna O´Brien, die mir jetzt die Genehmigung gegeben hat, ihn auf deutsch zu veröffentlichen. Sie ist Moderatorin und arbeitet seit mehreren Jahren in Transition Initiativen, derzeit in Transition Town Hackney:

"... es gibt keine kleine, hübsche Formel, die einer Transition Initiative hilft, erfolgreich zu sein, aber ich glaube, es braucht vor allem ein paar vernünftige Leute, die

  1. viel Zeit investieren können,
  2. gut kommunizieren können, offen, ehrlich und nicht nur im Sender-Modus. Die mit unterschiedlichen Meinungen umgehen können ohne Konfrontation hervorzurufen, die Beziehungen aufbauen können zu Menschen, die nicht so sind wie sie selber, die wissen wie man Treffen und Veranstaltungen moderiert und die gut mit schwierigem Verhalten umgehen können.
  3. Die in der Lage sind, Macht fair und transparent zu teilen (die den Prozess genauso wie die Aufgaben wertschätzen)
  4. Die realistisch sind, nichts planen, ohne die Ressourcen zu berücksichtigen, die dafür erforderlich sind, die sich keine Illusionen darüber machen, wofür sich Menschen engagieren und die die Unterschiede verstehen zwischen strategischer und praktischer Arbeit
  5. Die geerdet sind (d.h. einsehen, was sie und andere erreichen können, und die Transition nicht als eine große Last ansehen)
  6. Die Zuverlässig sind (machen was sie sagen)
  7. Die zu einer Kultur von zeitlich begrenzten Verpflichtungen ermuntern, sei es ein viermonatiges Arbeitspensum in der Kerngruppe oder ein viermonats Einsatz am ersten Sonntag des Monats in einem Gartenprojekt .Also nicht zu viel, sondern etwas, was man erwarten kann.

Ich glaube nicht, dass andere Ressourcen, Geld oder Räumlichkeiten zählen, bis eine Transition Initiative diese Art von Menschen im Boot hat,. Wahrscheinlicher ist es, dass man irgendwo Fuß fasst, wo es noch nicht einen Haufen lokale Umweltorganisationen gibt. Und natürlich hängt viel davon ab, wer zu erst mit einem Transition Hut in deiner Gegend auftaucht. Wenn diese Personen nicht diese Kommunikationsfähigkeiten besitzen, aus was für einem Grund auch immer, und sie an dem Transition Hut kleben, dann ist es sehr unwahrscheinlich dass die Initiative in die Gänge kommt.

Ich habe den Eindruck, dass zahlreiche Mensche in eine Transition Initiative geraten wie sie ungeplante Kinder bekommen, Heiraten oder ein Geschäft anfangen. Sie mögen das Gefühl, das sie von der Idee haben, aber meistens denken sie nicht wirklich darüber nach was damit zusammen hängt und was es von ihnen verlangt."

Any comments?

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Kommentare

Bild des/r Benutzers/in Jörg Beger

Liebe Gesa,

hab Dank für diesen meines Erachtens sehr sehr wichtigen und nützlichen Beitrag.

Die hoffnungsfrohen Filmdokumentationen zu Transition können (bisher) diese erwähnten "human resources" nicht besonders gut darstellen. Hier sollten wir so gut wie möglich etwas zur Ergänzung beitragen.

Das mir bekannte "Training for Transition" kann für diese sozialen wie menschlichen Qualitäten sensibilisieren und Bewusstsein schaffen.

Menschen, die in Freiburg zu Transition Town stoßen, da sie sich einen biografischen Umbruch befinden und einen gesellschaftlichen Wandel wünschen, haben nicht selten zwar den Mut und die Vision, jedoch ohne den nötigen Realitätssinn für die alltagspraktische "Town-Movement-Evolution".

Für unsere Kerngruppe in Freiburg schlage ich darum vor, diese Anmerkungen von Anna O´Brien wiederholt zu Herzen zu nehmen und darüber gemeinsam zu reflektieren.

Gemeinsam sind wir bereits auf dem Weg, uns gegenseitig dabei zu bestärken: " zu einer Kultur von zeitlich begrenzten Verpflichtungen ermuntern, .... Also nicht zu viel, sondern etwas, was man erwarten kann."

Mitunter erlebten wir schon die eine oder den andere bei ihrem/seinem inneren Konflikt mit dem Bedürfnis nach einer Gemeinschaft mit positiver Vision und den scheinbar geringen persönlichen Resourcen an Zeit, Geld , Räumlichkeit und Grund und Boden und den von Anna beschriebenen Qualitäten.

Meine eigene Erfahrung dazu ist: Von zentraler Bedeutung für das Gelingen der Transition Town als kooperatives Projekt sind diejenigen Personen, die in den "Transition-Town-Gründerjahren" viel bzw. flexibel Zeit für die wertschätenden Gespräche im Rahmen des vielschichtigen Transition-Town-Prozesses haben und damit zuverlässig wahrgenommen werden. Ich schätze, diese Erfahrung lässt sich in selbstähnlicherweise auf alle Ebenen von Transition Town Netzwerk skalieren bzw. geografisch übertragen.

Herzlichen Gruß,

aus Freiburg im Breisgau

Jörg

Bild des/r Benutzers/in Michael Schneider

Was macht .... erfolgreich?

Was verstehen wir unter Erfolg?

Erfolg ist ...   ? 

Hat Erfolg etwas mit Wirkung zu zun? Meinen wir erfolgreich gewesen zu sein, wenn am Ende etwas dabei herausgekommen ist? Und was sollte dann herausgekommen sein? 

Ich schaue mir derlei Vorhaben immer vor dem Hintergrund meiner Erfahrung, die ich in Zusammenhang mit dem Wohnprojekt  Amaryllis gemacht habe, an. Ich stimme vollkommen überein mit deinen 7 Punkten. Aber es fehlen mir noch einige, die vielleicht zu kurz kommen, weil die Aspekte Rationalität (Erdung, Planung) und Verlässlichkeit betont werden.

Für mich sind das folgende 3 Punkte:

- Kompetenz

- Motivation

- Vertrauen

Kompetenz hat etwas mit Erfahrung und Können zu tun. Keiner alleine wird eine Stadt auf den Kopf stellen. Manche sind gut im Entwickeln der Ideen, andere können den Prozess moderieren, wieder andere publizieren oder können in der Öffentlichkeit gut reden. Manche sorgen für gute Stimmung und andere haben ein Händchen für Zahlenreihen (Finanzen) und Ablagesysteme (Dokumentation). Es ist schon richtig, dass es immer auch Leute geben muss, die von allem ein bisschen verstehen und den Überblick haben, Systemisches Denken ist auch eine Kompetenz von der ich mal sage, dass sie nicht unbedingt weit gestreut ist. Wichtig ist es, neben der zeitlichen Verfügbarkeit, überhaupt solche Kompetenzen vereint zu bekommen.

Ohne Motivation, und ich finde das kommt bei den 7 von dir gelisteten Punkten nicht deutlich genug heraus, ohne Motivation passiert gar nichts. Könnte man sagen, dass wir die Motivation voraussetzen, würde aber meiner Ansicht nach der Bedeutung nicht gerecht. Welche Motivation treibt uns denn an? Unseren Kindern eine angenehme Zukunft zu bauen? Den Irrsinn der Industriealisierung zu beenden? Gesunde Lebensmittel aus der Region zu essen? Einen Landwirtschaftlichen Betrieb auf städtischem Gebiet zu retten? Ich glaube wir haben es immer mit einer Vielfalt von Motivationen zu tun. Eine Transition Initiative wird aber nur dann erfolgreich sein, wenn man einen Wert in der Initiative an sich erkennt. Warum brauche ich denn eine Initiative, wenn ich auch ohne diese im Quartier einen Gemeinschaftsgarten betreiben oder eine OpenSource Webseite unterhalten kann? Was interessieren mich denn die anderen? Was interessiert mich die Stadt? Was ist das eigentlich: Bonn? 

Und schließlich braucht es Vertrauen. Vertrauen und Liebe: In die Leute und in die Sache. Klar, wir stellen immer gerne die Forderung nach Transparenz, "guter" Kommunikation und demokratischeren Entscheidungsstrukturen. Ich habe es aber oft genug erlebt, dass man sich die größte Mühe machen kann, Dinge darzustellen, zu erklären, zu dokumentieren und diskutieren zu lassen. Oft genug bin ich wieder nach hause geschickt worden mit der Hausaufgabe noch ein weiteres Detail nachzuliefern und bin mit Vorwürfen der Intrasparenz überschüttet worden. Wenn aber das Vertrauen in die Leute und in die Sache fehlt, dann kannst du kommunizieren was du willst - es geht dann doch nicht weiter.

Also, in dem Sinne

Weiter frohes Schaffen! 

Bild des/r Benutzers/in Gesa Maschkowski

Danke Michael für diese Gedanken, ich bin auch etwas zwiegespalten ob der Auflistung von Anna. Sie besticht durch Klarheit und Erfahrung, und räumt mit Illusionen auf, aber sie legt die Latte auch sehr hoch. Mit Erfolg wird hier ganz offensichtlich etwas definiert, was sichtbar und messbar ist und über eine Transition Initiative hinaus reicht.

Wenn ich mir dann meine Befragungsergebnisse der deutschen Initiativen ansehe, dann kann Erfolg tatsächlich auch schon einfach die Tatsache sein, dass man existiert, dass man Vertrauen zu einander hat und Liebe zur Sache, und da ist mir auch wichtiger als alles andere, Ich muss auch oft an den Satz denken "der oder die gerade kommt, ist genau die richtige", es kann nicht sein, dass man ausschließlich darauf wartet, dass die Superkommunikationsprofis und Orgatalente kommen, bevor man anfangen kann. Man sollte aber wissen, dass man solche Leute braucht, wenn die Projekt größer werden, auch das ist sicher ein Erfolgskriterium.

Auf der anderen Seite kann man an dieser Liste auch abprüfen, warum eine Initiative möglicherweise erfolglos bleibt. Das beginnt damit, dass man Zeit investieren muss. In das Projekt SoLaWi in Bonn haben wir viele hunderte von Stunden gesteckt und zum Glück voller Vertrauen ineinander, Konfliktbereitschaft und Liebe.  Und das wiederum bringt mich zu der Frage, ob wir für diese große Transformation nicht tausende von Moderatoren bräuchten, die solche Prozesse unterstützen, denn man kann einfach nicht erwarten, dass sie automatisch und von alleine statt findet mit ein paar Bürgern, dies sich alle 4 Wochen zwischen 18:00 und 20:00 treffen...

Also insofern, finde ich die Liste doch wieder gut ;-)