NKI-Portrait: Klimaschutz mit Pferdeäpfeln

Verein: Göttingen im Wandel e.V.
Projektname: HUMUS-Bildung hoch 2 mit CO2-neutralem Bringdienst im Stadtteil Geismar in Göttingen
Projektleiterin: Helgard Greve
Laufzeit: 01.06.2017 – 31.05.2019

Klimaschutz mit Pferdeäpfeln – Bildung von hochwertigem Klima-Humus mit Lastenrad-Lieferservice

Paul Hinz lebt im Süden Göttingens. Es ist der einwohnerreichste Stadtteil und Paul Hinz freut sich hier über seinen Schrebergarten. Wenn im Frühjahr die Pflanzsaison beginnt, setzt sich Hinz in sein Auto, fährt zum Baumarkt und kauft Blumenerde. 40 Liter Universalblumenerde für 1,99 €. Daneben liegt auch eine torffreie Variante, die gleiche Menge kostet 10,99 €. Hinz greift zur günstigen Blumenerde und fährt mit seinem Auto vorfreudig der neuen Gartensaison entgegen.

So würde es immer weiterlaufen, wären da nicht Helgard Greve und das Kurze-Wege-Projekt „HUMUS-Bildung hoch 2 mit CO2-neutralem Bringdienst im Stadtteil Geismar in Göttingen“. Greve leitet am Stadtrand Göttingens einen Pferde- und Eselhof, engagiert sich seit Jahren in der Transition Town Initiative „Göttingen im Wandel e.V.“ und hält Ausschau nach Gestaltungsmöglichkeiten von zukunftsfähigen und klimaschonenden Lebensweisen. Einen Ansatzpunkt dafür hat sie auf ihrem Pferde- und Eselhof erkannt: In den ca. sechs Schubkarren Pferdeäpfel, die hier täglich anfallen.

Diese Pferdeäpfel sind im Göttinger NKI-Projekt der grundlegende Rohstoff für die Herstellung von hochwertigem Humus. Mittels speziellem Verfahren wird es in sogenannte „Terra Preta“ bzw. Schwarzerde umgewandelt. So entstehen keine klimaschädlichen Gase, die bei normaler Verrottung von „Mist“ entstehen. Ist der Humus fertig, speichert er nicht nur Nährstoffe und Wasser, sondern bindet auch unglaublich viel CO2.[1]

Die im NKI-Projekt gewonnene Erde ist torffrei – im Gegensatz zur Universalerde, die Paul Hinz bislang im Baumarkt kauft. Für die Torfgewinnung werden die wenigen Moore als wichtige CO2-Speicher abgebaut, dabei wird sogar Kohlenstoff freigesetzt.[2] Beim Torfabbau wird diese CO2-Senke zerstört und Kohlenstoff freigesetzt.

Das Humus-NKI-Projekt läutet für Hinz einen Umbruch ein: Es werden nämlich gezielt Kleingartenkolonien im Stadtteil angesprochen. Seit dem Tag der offenen Tür und der ersten „Ernte“ der Schwarzerde verbreitet sich das Wissen um Humusaufbau und Bodenleben anschaulich. Das neu gewonnene Wissen kann nun sofort in Handlung umgemünzt werden, denn Paul Hinz hat einen Sack dieser besonderen Erde abbekommen. Sie wurde mit dem Lasten-Ebike in seiner Gartenkolonie angeliefert und verteilt. Eine mitgelieferte Anwendungsempfehlung lud zum Experimentieren ein und Hinz hat nun um die eine Hälfte seiner Erdbeeren die Erde eingebracht. Er ist sehr gespannt, wie sie im kommenden Jahr tragen. Auch wird er bei der nächsten Terra-Preta-Aktion ein Stündchen mithelfen, denn dieses neue Projekt hat sein Interesse geweckt.

Das NKI-Projekt stößt auch außerhalb der Gartenkolonien auf großes Interesse. Greve möchte es nach Laufzeit-Ende in eine „Solidarische Humus-Wirtschaft“ überführen, d.h. ein Netzwerk von Gärtner*innen aufbauen, die (jeweils für ein Jahr festgelegt) die Terra-Preta-Produktion langfristig gewährleisten und dafür regelmäßig ihren Anteil der geernteten Schwarzerde geliefert bekommen; ab dem nächsten Jahr übrigens auch mit der Pferdekutsche.

 

Fotos: Helgard Greve mit Nachbar*innen und Projekt-MitMacher*innen beim Aufbau einer „Terra-Preta-Miete“.

 


[1]Laut Boden-Atlas der Böll-Stiftung ist Boden einer der bedeutendsten Kohlenstoffspeicher überhaupt: „Er bindet mit etwa 1.500 Milliarden Tonnen allein im Humus fast dreimal mehr Kohlenstoff als die gesamte lebende Biomasse, also alle Lebewesen inklusive Bäumen, Sträuchern und Gräsern.“ Quelle: https://www.boell.de/sites/default/files/bodenatlas2015_iv.pdf, S. 12

[2]„Moore machen nur drei Prozent der weltweiten Landfläche aus, speichern aber doppelt so viel Kohlenstoffdioxid wie alle Wälder der Erde zusammen.“ Quelle: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/moore-mindern-co2-435992