Extinction Rebellion und Transition Bewegung - passt das zusammen?

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Die Zeit läuft uns davon!

Wenn sich nicht bald sehr grundlegend etwas ändert, stehen wir innerhalb der nächsten Generation vor dem ökologischen Kollaps. Nicht nur in der Transition-Bewegung ist uns das seit Langem bewusst, denn schon 2009 wies eine Studie von WWF und Allianz-Versicherung auf die unberechenbaren Risiken beim Erreichen von „Klima-Kipppunkten“ hin. Selbst das Bundesumweltamt warnt inzwischen auf seiner Homepage: „Die drohende Klimaerwärmung birgt für Mensch und Umwelt große Risiken.“ Die Aus­wirkungen unseres Handelns bedrohen das Leben auf unserem Planeten – das Leben aller Arten. Auch das Aussterben der Menschheit in absehbarer Zukunft ist eine reale Möglichkeit. Und wir Transition-Aktiven wissen: Millionen von Menschen leiden bereits jetzt an den Auswirkungen von Dürren, Über­schwem­mungen und Ver­teilungskriegen. Das ist für viele von uns eine der Motivationen, in unseren lokalen Initiativen aktiv zu sein.

Die Hoffnung auf Lösungen von oben, haben wir schon lange aufgegeben. Denn auch wenn es in den letzten Jahren einige Erfolge gab, wissen wir: Es ist zu wenig, zu langsam und zu spät. Die Entscheidungen und Handlungen unserer Regierungen stehen in keiner Relation zu der ele­men­taren Bedrohung durch die fortschreitende Zerstörung unseres Lebensraums und zu unserer Verpflichtung gegenüber nachfolgenden Ge­ne­rationen. Im Gegenteil: Regierungen miss­ach­ten auf geradezu kriminelle Weise das Recht der Öffentlichkeit, umfassend und aufrichtig über die Art und die Größenordnung der Risiken informiert zu werden.

Doch für Resignation ist die Lage zu drängend. Der IPCC Report 2018 zeigt, dass noch Zeit bleibt, wenn ein sofortiges Umdenken in der gesamten Gesellschaft überall auf der Welt erfolgt. Rob Hopkins schreibt dazu: Die Begeisterung und Fantasie, die wir jetzt in anderen Menschen auslösen können, entscheidet über die Erfolge der nächsten 20 Jahre. Das ist es, was wir seit der Gründung unserer Bewegung 2006 versuchen: Die Fantasie anzuregen, wie eine andere Welt aussehen würde, indem wir konkret ausprobieren und vorleben, wie es anders und nachhaltig gehen kann. Mit Fridays for Future haben wir in den letzten Monaten Rückenwind bekommen, denn der Protest gegen die Untätigkeit der Regierungen beim Klimaschutz geht oft einher mit der Frage: Was wollen wir denn, wenn wir die jetzige Wirtschafts- und Lebensweise nicht wollen? Transition Initiativen haben zwar keine fertigen Antworten, aber schon einige Jahre Erfahrung damit, wie man sinnvoll nach Antworten sucht.

Nun kommt mit „Extinction Rebellion“ (Aufstand gegen das Aussterben) eine weitere, radikalere Bewegung dazu. Offiziell begonnen hat die internationale Bewegung Extinction Rebellion am 31. Oktober 2018, als sich etwa 1000 Menschen im Londoner Parliament  Square versammelt und der Regierung Großbritanniens die Rebellion erklärt haben. Am 15. April 2019 kamen Gruppen in über 40 Ländern der Welt dazu, die ihren Regierungen ebenfalls die Rebellion erklärten. Am gleichen Tag wurde Parliament Square erneut besetzt, ebenso wie Oxford Circus, Waterloo Bridge und Marble Arch. Unzählige weitere Aktionen des gewaltfreien zivilen Ungehorsams fanden zeitgleich in anderen Hauptstädten statt. Während der zwei „Rebellion Weeks“ konnte so in kurzer Zeit viel Aufmerksamkeit auf die ökologischen Krisen und die Klimakrise gelenkt werden; mehr und mehr Städte haben bereits den Klimanotstand ausgerufen (in Großbritannien und auch in Konstanz).

Die ambitionierten Ziele von Extinction Rebellion entsprechen der Dringlichkeit der Veränderung, die die Bewegung ins allgemeine Bewusstsein bringen möchte: Schonungslose Aufklärung der Öffentlichkeit über den Zustand von Klima- und Ökosystemen, die Senkung der CO2-Emmissionen auf Netto-Null bis 2025 und die Einrichtung von repräsentativ ausgelosten Bürgerversammlungen, um diesen Prozess demokratisch zu begleiten (https://extinctionrebellion.de/).

Und auch die Mittel, die Extinction Rebellion zum Erreichen dieser Ziele wählt, sind drastischer, als wir es von Fridays for Future, Greenpeace oder BUND gewohnt sind: Es wird zum gewaltfreien zivilen Ungehorsam aufgerufen. Dahinter steht die Idee, dass wir einen kritischen Zeitpunkt erreicht haben, an dem „business as usual“ (also das Weitermachen wir bisher) keine Option mehr ist. Und zwar auch im Bereich des Umweltaktivismus, in dem wir leider trotz jahrzehntelanger Mühen es unsere Regierungen nicht dazu bewegen konnten, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um eine Katastrophe abzuwenden. Also will die Bewegung Extinction Rebellion auf  friedliche Art legale Grenzen überschreiten und die alltäglichen Abläufe, die unsere Lebensgrundlagen zerstören, so massiv stören und unterbrechen, dass ihre Aktionen und ihr Anliegen nicht weiter politisch ignoriert werden können. All dies geschieht unter der klaren Vorgabe, dass dabei niemand herabgesetzt oder verletzt werden darf (https://extinctionrebellion.de/manifest/). Dafür gibt es zehn Grundregeln für den Umgang und die Zusammenarbeit mit anderen. Die wichtigsten sind für mich, dass alle Aktivitäten und auch die Kommunikation gewaltfrei sein müssen, dass es keine dauerhaften und ausgeprägten Hierarchien geben darf und dass in einem lernenden, sich selbst organisierenden, dezentralen System alle Beteiligten sich selbst immer wieder infrage stellen müssen, um eine regenerative Kultur der Wertschätzung und Kollaboration zu etablieren (https://rebellion.earth/the-truth/about-us/).

Wer etwas recherchiert, findet schnell Texte aus dem Transition-Umfeld, die Extinction Rebellion als Ergänzung zur Transition Bewegung sehen (https://www.resilience.org/tag/extinction-rebellion/). Es lohnt sich also, sich näher mit der Bewegung, ihren Zielen, Beweggründen und Methoden zu beschäftigen; egal, ob man dann dort mitmachen will, weil man die Dringlichkeit ebenso stark empfindet, oder ob man sich als Initiative auf die Aufnahme von Menschen vorbereiten möchte, die über diese Bewegung auf Transition aufmerksam werden.

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