Atomenergie und Transition-Bewegung

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Das Drama in Japan wird keinen von uns unberührt lassen. Dieses unfassbare Leid der Flutopfer und als wenn das nicht schon genug wäre noch die unser Vorstellungsvermögen übersteigende Gefahr einer großflächigen Verstrahlung. 

 

Die nun wieder akute Diskussion um die Atomenergie wirft zwei Fragen für mich auf:

1. Wird die Atomfrage bis dato in der Transition-Bewegung zu wenig beachtet?

2. Ist die neu belebte Sensibilität für Energiefragen eine Chance für die Transition-Bewegung?

 

Zu 1.

Meines Erachtens ist das Thema Atomkraft bisher in der Transition-Bewegung zu wenig gesehen. Im Energiewende-Handbuch von Rob Hopkins wird die Atomenergie etwas länger nur in den Randspalten der Seiten 48 und 49 behandelt. Überschrift: Atomkraft ist keine Lösung". Atomkraft ist aber nicht nur keine Lösung, Atomkraft ist ein gigantisches Problem, das zehntausende Generationen nach uns noch beschäftigen wird. Was das bedeutet, kann man bei einem unbedingt lesenswerten Reisebericht eines FAZ_Reporters aus Tschernobyl erahnen. 

Dazu kommt, dass Atomkraft und Peak Oil eine gemeinsame Wurzel haben: Unseren ausgeuferten Energiehunger. In einer Phoenix-Runde wurde der Zusammenhang unter der Überschrift "Hemmungsloser Energiewahn Wachstum ohne Gewissen?" diskutiert. So wie ich Transition verstehe, ist es ein Gegenmodell zu diesem Energiewahn.

Ropkins schreibt ja, dass bisher nur die ersten Kapitel der Transition-Geschichte geschrieben sind. In einer neuen Auflage des Handbuchs würde ich mir daher im ersten Teil "Der Kopf" auch eine klare Analyse der Atomkraft und der vorhandenen Zusammenhänge wünschen.* Wie ist hierzu Eure Wahrnehmung?

 

Zu 2.

Im Moment beobachte ich eine enorme Sensibilisierung für grundsätzliche Fragen, die unsere Lebensweise betreffen (Ihr auch?). In der Phoenix-Runde waren sich die Teilnehmer weitgehend einig: Es geht nicht nur um Abschaffung der Atomenergie es geht um die Veränderung unseres Lebensstils. Selbst FAZ, normalerweise kein Hort der Weltrevolution, kommt zu grundlegenderen Einsichten : "Das Erdbeben in Japan offenbart die Verwundbarkeit der Technologien, auf denen unser Lebensstil und unser Wohlstand beruht, jenseits der Bedrohungen durch Sabotage oder menschliche Unzulänglichkeiten."

Ganz praktisch: Am vergangenen Montag gab es bei uns eine Anti-Atom-Kundgebung. Dort hätten Transition-Flyer eine Menge Interessenten gefunden. Vor allem bei denjenigen, die den Zusammenhang sehen und denen militante Parolen nicht genügen. Und egal ob Peak Oil oder Atomkraft: Es geht um das Gleiche. Meine ich ...

 

Viele Grüße,

Rolf

 

* Vielleicht spielt bei meiner Argumentation bzw. bei der untergeordnete Rolle der Atomkraft im Handbuch ein interkultureller Faktor eine Rolle: In anderen Ländern wird die heftige deutsche Reaktion wohl als "German Angst" wahrgenommen.

Kommentare

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Zwei Ergänzungen zu den verschiedenen nationalen Perspektiven.

 

1. In Großbritannien soll der geplante Ausbau der Atomkraft zügig weiter gehen:

Am politischen Willen scheint der Unfall in Japan nichts geändert zu haben. Führende Tories sind entschlossen, ihre Atompläne zu verteidigen. In einer Zeit, da der Ölpreis auf 200 Dollar pro Barrel steigen könnte, wäre es doch geradezu "Wahnsinn", auf eine langfristige Alternative zu fossilen Energiequellen zu verzichten, gibt Londons Bürgermeister Johnson zu bedenken." Hier nachzulesen.

 

2. Wir sind ein Top-Exporteur von Atomkraft:

Insgesamt zwölf Exportgarantien hat die Bundesregierung für deutsche Atom-Exporte übernommen, darunter Projekte in Russland und China. Atomkraft made in Germany ist ein Export-Schlager." Hier nachzulesen: Atomkraft made in Germany

Bild des/r Benutzers/in Norbert Maack

Hallo Enrico,

ich denke und hoffe nicht, dass TT-Bewegte mit einem "endlosen Debattieren über Kernenergie" ihre Zeit verschwenden würden, wenn wir uns der Forderung nach einer sofortigen oder zumindest baldmöglichen Stillegung anschließen. Wir können durchaus glaubwürdig sein, wenn wir neben dem Engagement für Transition auch deutlich betonen, was wir auf keinen Fall wollen.

Und wenn ich "wir" schreibe, meine ich damit diejenigen, die hier auf dieser Seite versammelt sind. Mag sein, dass ich "unsere" Konsensfähigkeit überschätze; denn ich mag Deine Sichtweise unter 2.) nicht teilen. Gerade die TT-Bewegung hat Zukunft dann, wenn "wir" uns nicht daran orientieren, was vor 40 Jahren der Fall war, sondern immer wieder nach vorne schauen und unseren Blick auf die neue Generation und die sich wandelnden Menschen mit Hoffnung imprägnieren. 

Mit sonnigen Grüßen

  Norbert

Bild des/r Benutzers/in Norbert Maack

Hallo Rolf,

danke für Deinen Beitrag. Ich bin froh, dass damit wenigstens eine Stellungnahme zum Thema Atomenergie auf dieser Seite zu finden ist.  Spätestens in der gegenwärtigen Situation ist eine deutliche Positionierung, in der wir uns doch wohl alle einig sein dürften, trotzdem angebracht.

Schließlich schauen hier ja auch Menschen vorbei, die noch nicht von der Transition Town Bewegung überzeugt sind. Es könnte irritierend wirken, wenn die Reaktorkatastrophe hier ignoriert zu werden scheint. 

Mit sonnigen Grüßen

     Norbert

Bild des/r Benutzers/in Simon Mewes

Das Wichtigste ist eigentlich schon gesagt. Atomkraft in kriegerischer und ziviler Nutzung ist aus der Sichtweise von Transition schädlich aus mindestens zwei Gründen:

 

1. weil sie Großstrukturen fördert (und den Ausbau kleinteiliger Lösungen blockiert),

2. weil sie Resilienz vernichtet, und zwar sowohl unsere als auch die von unseren Kindern und Kindeskindern.

 

Gerade in Japan, wo jetzt Gemüse und Trinkwasser über hunderte Kilometer verseucht sind, sieht man, dass einem lokale Resilienz unter Umständen praktisch wenig nützt, wenn solche gefährlichen Großstrukturen weiter existieren.

 

Dass Leute ihren eigenen Brunnen haben, nützt nichts, wenn das Wasser aus dem Brunnen radioaktiv verseucht wird. Dass Leute ihr eigenes Gemüse anbauen nützt nichts, wenn das Gemüse mit strahlenden Partikeln kontaminiert wird. Hier wird lokale Resilienz von außen vernichtet.

 

 

Ich möchte auf die Großdemonstrationen hinweisen, die am kommenden Samstag (26.03.11) in Berlin, Hamburg, Köln und München stattfinden. Mehr Infos findet Ihr hier:  http://anti-atom-demo.de/

Bild des/r Benutzers/in Rolf

Hallo Enrico,

 

einerseits kann ich dich gut verstehen. Auch für mich liegt das Besondere von Transition darin, nicht mehr beim Protest stehen zu bleiben, sondern aktiv zum Neuen beizutragen. Andererseits scheint mir deine Wertung, dass Die viel wichtigere Frage, die nach dem Peak Oil ist falsch.

Weil: Egal ob Peak Oil oder Atomkraft, beides hat die gleiche Wurzel, nämlich unseren Hunger nach billiger Energie. Dazu zwei Zitate von Japanern ( gefunden hier ):

Wir müssen nun diskutieren, warum Japan so viel Energie verbraucht, obwohl es keine eigenen Rohstoffquellen hat. In Zukunft müssen wir uns auf natürliche Energiequellen konzentrieren. Das bisher so selbstverständliche Leben im Überfluss war der falsche Weg.

Wir müssen unseren Kindern eine Zukunft ermöglichen, darin besteht unsere eigentliche Lebensaufgabe. Allein auf Bequemlichkeit und Effizienz zu setzen hat böse Konsequenzen. Wie wollen wir unser Leben ändern?

Da fragt Menschen nach Transition ...

Auch das spricht für mich dafür, die Analyse der Kernkraft mit in unsere Argumentation einzuschließen. Im Moment öffnet sich tatsächlich ein Zeitfenster, in dem viele Menschen nicht nur Nein zur Atomenergie sagen, sondern auch bereit sind zu fragen, wie sich unser Verhalten ändern muss. Dieses Zeitfenster sollten wir nutzen. 

Rolf

Bild des/r Benutzers/in Peter Berger

Lieber Rolf, liebe Forumteilnehmer,

Versuch gerade, das Thema Fukushima auszuformulieren für eine Gründungsrede am 2.4. hier in Landshut.

Es ist etwas eingetreten, was mich vor 25 Jahren mit Tschernobyl schon mal ereilt hat: Angst! Das erste Gefühl, damals wie heute, war, dass es mir den Boden unter den Füßen wegzieht. Diese Ohnmacht gegenüber einer Technologie, die man nicht selber gewählt hat, vor der man schon immer gewarnt hat und die jetzt das Zeichen ist für alle, dass es wirklich eine Sackgasse ist, die man so schnell wie möglich wieder verlassen sollte, spiegelt genau die Notwendigkeit einer Transition-Bewegung. Seit 25 Jahren ist in den Köpfen der Menschen, dass man gegen was ist. Jetzt, mit Fukushima wird der Ruf nach einem Gegenentwurf laut und die Menschen versuchen, einen "echten" Gegenentwurf zu finden. Hier setzen wir genauso an, wie mit dem Thema "Peak-Oil"

Also als Antwort auf beide deiner Fragen:

Wenn man den Leuten einen Weg aufzeigen kann, wie man mit der Misere umgehen kann, wird man gar nicht mehr dazu kommen, die Begebenheiten zu kritisieren, weil die Menschen begierig auf die Alternative warten und wir ihnen mit dem Handbuch dienen können. So gesehen ist das Handbuch die Chance.

P.S. Das mit der Gründungsrede hab ich deshalb erwähnt, weil es mir schwer fällt, so eine Rede zu halten und ich immer wieder Probleme mit der Syntax hab. Kann ich hier im Forum Hilfe bekommen?

Bild des/r Benutzers/in Simon Mewes

Hallo Peter,

 

Du kannst mir die Rede gern zuschicken, dann schaue ich mal drüber. 

 

Liebe Grüße

Simon

Bild des/r Benutzers/in Peter Berger

Danke, Simon

dass du dich anbietest.

Zunächst geb ich einen kleinen Überblick über das Vorgehen bis jetzt und stelle unser "Gremium"  bzw. dessen Beiträge vor. Dann gehts mir darum, dass die informellen "Debatierrunden" jetzt bitte abgelöst werden durch was Konstruktives, eben die Gründung einer Transition-Ini heute. Bis hierher hab ich noch keine Probleme mit der Rede. Dann geht´s weiter mit dem Satz, den ich hier im Forum schon geschrieben hab:

"In Fukushima ist etwas eingetreten, was uns alle vor 25 Jahren schon mal ereilt hat wegen Tschernobyl und wirklich jeder wird zustimmen, wenn er an seine ersten Regungen denkt, damals wie heute. Es ist das Gefühl der Angst.

Wir alle haben wieder mehr Angst vor der ungelösten Energiefrage, vor den Lösungen der globalen Elite in dieser Frage. Bestimmt wird die Merkel-Regierung wieder die Risikolosigkeit der Atomkraft vorgaukeln und das Problem, ein Menschheitsproblem, dessen falsche Handhabung 6,91 Milliarden Menschen das Leben kosten kann, wird wieder vor sich hergeschoben und es wird immer noch nicht gelöst, ausser wir sehen nicht mehr weg und lassen uns nicht morgen schon wieder von einer ganz anderen Schlagzeile einlullen. Wir schauen genau hin, wie eine andere Richtung aussehen kann. Wir beobachten genau, wer eine neue Richtung vorgeben will und dass diese Richtung nicht wieder die bestimmen, die uns die letzte Sackgasse schon eingebrockt haben.

Wir bilden uns, d.h. wir bilden uns fort und bilden uns zu Gruppen, Vereinen, Initiativen, um diese Richtung so weit wie möglich nicht wieder fremdbestimmen zu lassen, sondern sie selbst zu gestalten, um uns gegen zukünftige globale Auswüchse zu wappnen.

Genau das will Transition-Town."

Die Rede geht noch weiter, aber ich merke gerade, wie ich an ihr feile und mit jedem mal aufschreiben wieder was abänder und versuch, sie noch leichter verständlich zu gestalten.

Abgesehen davon, dass ich mir den Satzbau jetzt eigentlich schon zutraue... Ach, ich stell jetzt den kleinen Auszug aus meiner Rede einfach mal zur Diskussion.

Simon, du kannst mir so oder so antworten, ich freu mich einfach drauf.

Liebe Grüße

Peter