Im Westen was Neues - Ein Blick über die Grenzen nach Frankreich

Bild des/r Benutzers/in Ralph Böhlke

Das vergangene Wochenende (2.-5. Juni 2011) war ein besonderes für die französische Transition-Bewegung Trièves en Transition wurde offizielles Mitglied in der internationalen Transition-Town-Familie und ist Vorreiter einer Bewegung die gerade richtig in Fahrt kommt.

 

Trièves? Muss man nicht unbedingt kennen. Ist nicht mal eine Stadt. Trièves ist eine Region, knapp 700 Kilometer von der Grande Capitale entfernt in den Alpen südlich von Grenoble. In der französischen Transition-Town-Szene ist die Gegend aber sehr wohl bekannt. Vor gut drei Jahren formierte sich dort ein loser Zusammenschluss einiger Bürger unter dem Namen Trièves-Après-Pétrole (Trièves ohne Öl) . Man begann damals gemeinsam zu überlegen, welche Auswirkungen steigende Rohstoffpreise auf das eigene Zuhause haben würde eine malerische Alpenregion, jedoch abseits der großen Verkehrsadern, der Großteil der knapp 10.000 Einwohnt auf einem Hochplateau (650m) und verteilt sich auf 29 (!) Gemeinden.

 



Drei Jahre können eine lange Zeit sein. Der Begriff pic pétrolier (Peak Oil) war damals kaum bekannt und zum Thema Transition gab es praktisch keine Publikationen in französischer Sprache. Die drei Initiatoren begannen sich in die Thematik einzuarbeiten und Übersetzungen einzelner Texte anzufertigen. Parallel fanden sich andere an dem Thema Interessierte. Ein Mitstreiter aus Paris richtete im April 2008 ein Diskussionsforum ( Objectif-Resilience ) ein und 2009 begannen einige Franco-Kanadier eine Internetseite einzurichten, um grundlegenden Infos zum Thema Transition für alle Französischsprachigen darzubieten. Auch der Transition Leitfaden (der gerade in diesen Tagen in deutscher Sprache erschienen ist) wurde ins Französische übersetzt. Doch so richtig in Gang kommen wollte die Bewegung noch nicht.

 

Frankreich ist Zentralstaat. Das bedeutet, dass hier manches etwas länger braucht, um zu reifen. Wenn es dann aber soweit ist, dann entwickelt sich gleich eine erstaunliche Dynamik (wie dies die französische Demonstrationskultur in regelmäßigen Abständen beweist). Ähnlich wie auch in Deutschland ist hier das Stottern des globalen Wirtschaftsmotors deutlich zu vernehmen und ähnlich wie in Deutschland ignorieren die etablierten Parteien die damit verbundenen Sorgen der Bevölkerung sträflich. Gleichzeitig hat sich hier aber vor gut drei Jahren praktisch über Nacht die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Klimawandel real ist und ein Umdenken in der Bevölkerung stattfinden muss. Und auch wenn in punkto Umweltbewusstsein Frankreich bislang eher in die Kategorie Entwicklungsland gehörte, so passiert gerade vieles gleichzeitig: Gerade entstehen eine Biobewegung, eine Radfahrerbewegung, eine Ökohausbewegung und die Gründung einer Grünen Partei (bislang gab es nur diverse grüne Splittergruppen) und Fukushima trägt seinen Teil dazu bei, dass der französischen Atomstaat bald ein ordentliches Antiatomkraftgewitter erleben kann. Zudem hat im April 2011 der französische Premierminister François Fillon vor der Nationalversammung bekannt, dass das globale Ölfördermaximum (Peak Oil) vermutlich bereits vor 2 Jahren überschritten wurde.

 

Da liegen die Anliegen der Transition-Bewegung auf jeden Fall im richtigen Trend on y va!

 

Heute gibt es in Frankreich zwei offizielle Transition-Initiativen in Trièves und in Saint-Quentin-en-Yvelines (im Großraum Paris). Darüber sind rund 40 weitere Initiativ-Gruppen quer über das Land verteilt in kleineren Städten und Regionen, aber auch in urbanen Zentren wie Marseille oder Toulouse. In Lyon sind es drei Gruppen in verschiedenen Stadtteilen und im Großraum Paris sieben Tendenz steigend (die achte formiert sich offiziell noch in diesem Monat).

 

Das Medieninteresse an den Villes-en-Transition nimmt seit dem vergangenen Sommer kontinuierlich zu, im Oktober 2010 kam - sehnlichst erwartet - die französische Übersetzung des Transition-Handbuchs auf den Markt, transitionfrance.fr ging etwa zur gleichen Zeit ans Netz. Im Januar 2011 sollte dann ein spontan organisiertes landesweites Transition-Netzwerktreffen stattfinden, damit sich die verschiedenen Akteure endlich mal nicht nur online begegnen. Trotz der Vorlaufzeit von nur zwei Wochen (über die Weihnachtsfeiertage) musste die Veranstaltung wegen des immensen Interesses (60 bzw. 80 TeilnehmerInnen) in zwei Teilen stattfinden eine Veranstaltung in Sens für Nord- und eine weitere in Lyon für Südfrankreich).

 

und nun die Fête de la Transition in Trièves. Eigentlich wollte die dortige Lokalgruppe in diesem Sommer nur an die lokale Öffentlichkeit treten, der Startschuss (great unleashing) für Trièves sozusagen. Doch auch das überregionale Interesse war so erheblich, dass es fast ein nationales Transitionfest war mit mehr als 100 TeilnehmerInnen aus der Region und 60 aus dem ganzen Land, sowie aus Belgien und der nahen Schweiz. Zur Eröffnungsansprache waren nicht nur Vertreter der lokalen Agenda-21-Initiative, der Lokal- und Regionalverwaltung anwesend, sondern auch Naresh Giangrande vom Transition Network aus Großbritannien.



Transition in Frankreich ist noch dabei sich zu formen. Derzeit gibt es noch kein Transition-Training in französischer Sprache; ein Team wird sich aber bis zum Herbst 2011 formiert haben. Einen Vorgeschmack darauf gibt es aber bereits in der kommenden Woche. Dann nämlich finden die ersten beiden Tra

iningskurse in Semur-en-Auxois und Grenoble statt. Geleitet werden sie von Ausbildern aus Italien und Großbritannien.

 

Zur besseren Außenvertretung (Kontakt mit dem internationalen Transition-Network und Presseanfragen) wurde im Herbst 2010 entschieden, ein vorläufiges nationales Koordinationsteam zusammenzustellen. Dies besteht aus derzeit neun Transition-Dinosauriern (die sind nicht alt und groß, aber am längsten dabei). Das Gremium hat keinerlei Vertretungs- oder Entscheidungshoheit, aber als offizielle Kontaktstelle ist es kaum verzichtbar. Ziel ist es, baldmöglichst ein richtiges Team zu wählen. Das wird aber wohl erst gehen, wenn sich die Strukturen etwas eingespielt haben. Im 

Augenblick sind die wenigsten Transition-Gruppen formell als Vereine eingetragen. Die wenigsten habe eine eigene Webseite. Doch all das ist nur eine Frage der Zeit.

 

Auch nur eine Frage der Zeit ist es bis es hier eine erste nationale Transition-Konferenz geben wird. Vielleicht im nächsten Jahr? Vielleicht zusammen mit einer Fête de la Transition ? Vielleicht in Trièves?

Auf jeden Fall seid ihr herzlich eingeladen!!!

 

 

Ralph

Réseau de soutien aux initiatives de transition
à Paris et en Île-de-France

 

 

 

Weitere Infos unter:

 


Das Transition-France Koordinationsteam (v.l.n.r.) : Frédéric Boeuf (Alpes-Maritimes); Marianne Grange (Paris/Île-de-France); Danielle Grunberg (frz. Baskenland), Anne Amblès (Normandie); Corinne Coughanowr (Paris/Île-de-France); Leigh Barret (Paris/Île-de-France), Pierre Bertrand (Rhône-Alpes). Nicht auf dem Foto: Maxime David; Kitty de Bruin (frz. Baskenland)